Paul Nizan, ADEN

Das Zitat des Tages heute beschäftigt sich mit dem kolonialen Erbe der Logistik. Ich zitiere dazu aus Paul Nizan’s Pamphlet ‘Aden’ von 1931:

“Aden war noch vor nicht allzu langer Zeit eine Bunkerstation; die Heizölkessel haben dann die schwarzen Behälter der Anglo-Persian und der Asiatic Petroleum Company, die Büros, die Docks und die Intrigen nach sich gezogen. All das hat die kleinen eingeborenen Stammesfürsten aus dem Gleichgewicht gebracht und sie zu Ölhändlern und Benzinkäufern werden lassen. Fast überall tobt der Kleinkrieg um Konzessionen. So passt sich Aden seinem Schicksal an. Der Ledergeruch, der jeden Monat penetranter werdende Erdölgeruch ersetzen den Kaffeegeruch von Sana und Harrar. Dieser Wechsel der Handelsobjekte ändert nichts an den Folgen des Handels für die Menschen. Bei Reclus lesen wir: ‘Zur Ausbreitung der Kaffeepflanzungen werden europäische Kriege geführt und in der Neuen Welt, in Afrika und auf den Sundainseln weite Territorien erobert; Millionen von Sklaven werden gefangen und zu den neuen Pflanzungen transportiert: die Folgen dieser Revolution waren so weitläufig, daß man sie gar nicht vorausberechnen konnte; Gutes und Schlechtes vermischte sich miteinander, Betrügereien, Kriege, die Unterjochung ganzer Völker, massenhafte Ausrottung waren die Begleiterscheinungen der Ausdehnung des Handels…’

In den Speichern von Ma’ala und Somalipura türmen sich die Zucker- und Reissäcke, die Ochsen und Ziegenlederballen, die Benzinkanister, die mit einem Bären oder einer Gazelle gestapelt sind, bis zur Wellbechdecke. In den ausgeglühten Brutkästen der Lager arbeiten Araber und singen die Lieder der Arbeit. Ohne Rhythmus würden sie die Handgriffe, die sie machen, vergessen.

Die Staatsräson billigt jede Machenschaft, jeden Vertrag, jede Unterdrückung, jede Sklaverie, wenn sie nur Profit bringt.

Aber was sagt die Räson dazu, die nicht im Dienst der Staaten steht?

Was für eine blödsinnige Idee, sich auf diesem Felsen festzusetzen. Überall sonst lassen sich die Menschen an Wasserstellen nieder, die von Bäumen und bewässerten Feldern umgeben sind. Aber in diesem Land ohne Quellen trinken sie das Wasser der seltenen Regengüsse und das destillierte Wasser des Indischen Ozeans. Auf Schiffen werden ganze Wasserladungen gebracht, die aus dem Süßwasser im Suez geschöpft sind. Die Nachtstürme, die die Bewohner von Aden schlaftrunken betrachten, füllen manchmal die tiefen Schächte der Kleopatra, die geheimnisumwitterter sind als die Katakomben.

Die Menschen sind so veranlagt, sich irgendwo festsetzen zu müssen. Das ist überall ihne einzige Weisheit, aber hier hat sie die Form eines schwarzen und verbohrten Wahns angenommen.

Sie sind durchaus in der Lage, aufzubrechen und auf ihrem wie eine Wassermelone abgeplatteten Erdball die längsten Wege zurückzulegen, aber kaum sind sie irgendwo angekommen, setzen sie sich fest, und sei es auf einem winzigen Sandhügel. Diese Mauernbohrer bohren für dunkle Zwecke Löcher in die Felsen. Diese Zwecke heißen hier Krieg, Handel und Transit: glaubt ihr, daß diese Wörter bis ans Ende der Tage alles entschuldigen können?”

(rowohlt, 1993, S. 51/52)

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